#OMR24: Die Hipsterness strömt zu KI(m) Kardashian, Swisher und Schmidhuber

Fresh wie'n Turnschuh: #OMR24. Werber, Marketer und das Medien-Fachpublikum feiern ihr Hochglanz-Festival in Hamburg.

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Kim Kardashian, Kara Swisher und Philipp Westermeyer beim OMR.

Kim Kardashian, Kara Swisher und Philipp Westermeyer beim OMR.

(Bild: emw)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das OMR Festival ist die wohl wichtigste Veranstaltung des Jahres für alle, die im Marketing beschäftigt sind. Oder was mit Medien machen oder einfach Bock haben auf spannende Themen, Austausch und Input. Das Festival beantwortet auch die wohl wichtigste Frage: Welche Turnschuhe sind denn aktuell? Spoiler: Es wird diverser, auch wenn weiß noch immer dominiert. Wer weiß und flach und womöglich Nike trägt, gehört allerdings eher weniger zur Speerspitze des digitalen Business. Autry hat Veja abgelöst, dabei darf der Unternehmer Sébastien Kopp über die Geschichte letztgenannter Schuhe auf der Hauptbühne sprechen. Alles fair, versteht sich, und Kopp erklärt auf einer Messe voller Werber, Veja habe niemals in Marketing investiert. Alles Geld sei in das Produkt und die Wertschöpfungskette geflossen.

Veja-Chef Sébastien Kopp beim OMR.

(Bild: emw)

Hipness beweisen nach wie vor die hässlichen Dad-Sneaker mit viel Mesh. Damen tragen jetzt wieder Adidas Samba, Herren noch immer. Instagram und Influencerinnen wie Gigi Hadid, Hailey Bieber und Kendall Jenner haben sie zum Trendschuh erkoren. Und wer nicht weiß, wer Hadid, Bieber und Jenner sind, hat auf dem OMR nichts verloren.

Jenners Schwester Kim Kardashian ist sogar eingeflogen: der diesjährige Stargast des Festivals in High Heels. Warum die Realityshow-Queen in Hamburg auftritt, lässt sich mit einem Witz Kai Pflaumes aus dem vergangenen Jahr beantworten: Der sagte, AI stecke ja schon in seinem Namen, weshalb er für die Moderation der Hauptbühne äußerst geeignet sei – er darf auch dieses Jahr ran, samt mega hipper richtig fetter und absichtlich hässlicher Mesh-Sneaker. Kim Kardashian kann nun Ähnliches von sich behaupten wie KAI. Auf der Bühne wird sie von der Tech-Veteranin Kara Swisher ausgefragt. Die ist bekannt für eine intensive Interviewführung, bleibt diesmal aber milde unauffällig.

Standing Ovation schon beim Eintritt. Oder auch: Alle Smartphones hoch, klatschen nicht möglich. Gestern war Kardashian noch auf der Met-Gala. Sie hat im Flugzeug geschlafen, sagt sie, die Aftershow-Partys seien nicht ihr Ding. Kardashian, Swisher und OMR-Gründer Philipp Westermeyer sprechen über Kims Social-Media-Aktivitäten. "I post and then I ghost", sagt sie. Nur sie selbst müsse sich mit dem wohlfühlen, was sie postet, deshalb schaue sie die Kommentare gar nicht an. Zeit habe sie eh nicht, sie sei schließlich Mutter von vier Kindern.

Kim Kardashian beim OMR.

(Bild: emw)

Die haben übrigens ganz klare Grenzen, wenn es um Social Media geht. Nicht am Morgen, nicht im Auto, nicht beim Essen. Kardashian findet es beeindruckend, wie kreativ ihre Kinder sind, wenn sie Videos produzieren. Doch es gibt Zeitlimits und Einschränkungen, dann komme das Handy weg.

Einen klugen Vergleich zieht Kardashian zwischen sozialen Netzwerken und KI. Man müsse die neue Technologie erst noch kennenlernen, genau, wie man damals Social Media erst habe verstehen müssen. Regulierungen und Grenzen seien wichtig. Ein Auftritt wie Rihanna bei der Met-Gala, die 2022 als Video-Version von sich selbst da war, kann sie sich nicht vorstellen. Ich drehe lieber einen extra Tag am Set, um ich selbst zu sein, statt eine computergenerierte Version von mir selbst. "Ich traue dem noch nicht, ich möchte das erst weiter beobachten."

Offiziell ist Kardashian übrigens auch nicht als Influencerin geladen, sondern als Entrepreneur. Ihr bester Tipp für Unternehmer: Findet ein Produkt, das es nicht gibt und das ihr euch wünschen würdet, es muss authentisch sein und Bedarf geben. Findet eine Lösung für ein Problem.

Eindrücke vom OMR Festival 2024 (14 Bilder)

Groß war der Andrang zur OMR in Hamburg ...
(Bild: heise online/emw)

Nicht nur bei Kardashians Auftritt gerät die Conference Stage an ihre Grenzen. Schon zur Begrüßung mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und ZDF-Talker Markus Lanz ist kein Hineinkommen mehr. Die Schlange draußen reicht um die Messehalle herum. Das ist jedes Jahr so. Und so stylisch, durchdacht und Spaß bringend der Rest ist, das mit dem Einlass nervt. Besucher schauen vor Ort die Speaker im Stream. Dabei gibt es sogar eine gigantische Leinwand auf dem Gelände. Wenigstens dort eine Übertragung der Hauptbühne wäre am Vormittag wünschenswert. Bei Kardashian gibt es immerhin auf einer anderen Stage den Stream zu sehen.

"Zum OMR Festival 2024 bringen wir internationale Stars der Digital-Szene und Hidden Champions der Branche nach Hamburg", lautet das Eigenmarketing der OMR. International sind immerhin Produzenten-Legende Rick Rubin von Def Jam Recordings und der Künstler Jeff Koons. Scott Galloway von der New York University sagt, TikTok werde in den USA verkauft, weil Geld es richten werde. Und laut Galloway ist es auch richtig und wichtig, TikTok habe unglaublichen Einfluss auf eine ganze Generation.

Eine weitere Vorhersage: Google setzt sich in Bezug auf KI wieder an die Spitze. Galloway bezeichnet das als "Empire Strikes Back". OpenAI ist für ihn eine "Sparte von Microsoft". Für KI brauche es Geld und Daten. Beides haben die Big Tech. Am meisten wird sich die Welt jedoch ändern, weil Medikamente wie Ozempic verfügbar werden. Das Diät-Mittel mache die Welt schlanker und fitter, Food-Konzernen könne es an den Kragen gehen. Einsamkeit ist ein weiteres großes Problem der Welt und AI Girlfriends seien keine Lösung: "Bitte geht raus, betrinkt euch, glaubt mir, es wird euch nie etwas Großartiges vor dem Bildschirm passieren."

Das Thema des diesjährigen Festivals ist nicht so ganz plakativ, wie KI im vergangenen Jahr präsent war. Erfrischend. Es ist etwas wie die Schuhe. Manches ist halt weiß und flach, beispielsweise Bastian Schweinsteiger als Fußball-Experte, der ernsthaft als "Soccer Expert" angekündigt wird. Anderes ist eher ein Hallenhandballschuh.

Seit Jahrzehnten forscht und erzählt Jürgen Schmidhuber von den Grundlagen von KI, von Agenten und einer Generellen künstlichen Intelligenz, aber erst jetzt hören die Massen ihm zu. Er spricht mit Larissa Holzki vom Handelsblatt und Jonas Andrulis von Aleph Alpha. Andrulis verrät: Sie arbeiten an einem neuen Betriebssystem. Es gehe nicht darum, ein KI-Modell zu entwickeln, das sei ein schlechtes Geschäftsmodell. Generative KI sei nur ein Bestandteil. Wenn ein DAX-Konzern sein Geschäft transformieren wolle, muss er die grundsätzliche Technologie auswählen, nicht die generative KI, die drinsteckt. Ein Ziel, fast so hoch wie die Absätze von Kim Kardashian.

In den Messehallen präsentieren zahlreiche Jungunternehmen ihre freshen Ideen, Sales-Abteilungen treffen sich mit Plattformen und Dienstleistern, Werbedeals werden abgeschlossen. In den Masterclasses, zu denen man sich vorab anmelden muss, gibt es Tipps für Werbetreibende. Was kommt derzeit bei Tiktok gut an? Sich halb ernst, halb ironisch mit seinem OMR-Style zu zeigen. Kein Scherz, das ist Thema in dem sozialen Netzwerk. Neben dem Bühnenprogramm hat dieses Festival auch einen ganz soliden, praktischen Charakter, der manchmal über die Kims und Tokyo Hotels als abendlicher Akt in der Außenwirkung verloren geht.

OMR bei Tiktok.

(Bild: emw)

Tiktok, Google und Meta, Amazon und all die großen Namen haben freilich ihre Stände aufgebaut. Zahlreiche C-Level und Gründer verschiedener Unternehmen dürfen auf den Bühnen stehen: Kerstin Erbe von dm, Tina Müller von Weleda, Aileen Kuhlmann von Lemonaid und ChariTea. Die meisten Speaker und Speakerinnen tragen unter ihrer Berufsbezeichnung den zusätzlichen Titel "Podcaster". Das ist so klar wie Kloßbrühe und wichtig wie das richtige Schuhwerk. Wer darf außerdem nicht fehlen? Sascha Lobo. Das deutsche Digital-Erklärer-Urgestein ist immer gut für einen Spruch, auch wenn er dieses Mal danebenliegt.

Lobo zeigt ein Video von Metas KI-Chef und Turing-Preisträger Yann LeCun. Verschiebt man einen Tisch mit einer Vase darauf, bewegt sich die Vase mit. Das könnte man einer Maschine nicht mit Text erklären, sagt LeCun. Doch Lobo meint, KI habe das begriffen und gelernt, weil ChatGPT richtig antwortet: Die Vase bewegt sich auch. Aber nicht, weil – wie Lobo denkt – ChatGPT "versteht", was passiert. So funktionieren große Sprachmodelle nicht. Sie geben Wahrscheinlichkeiten und Nähen wieder, KI hat kein Verständnis – wie LeCun sagt.

Holzki, Andrulis und Schmidhuber beim OMR.

(Bild: emw)

Und auch KI-Experte Jürgen Schmidhuber erklärt dem Publikum, wie es zu solchen Missverständnissen kommt. Wenn Sprachmodelle uns mit "Wissen" überraschen – etwa eine Aufgabe lösen oder einen Test richtig beantworten – dann nicht, weil sie die Frage verstehen, sondern die Antwort in den Daten ist, mit denen sie trainiert wurden.

Auch Jonas Andrulis bekräftigt, es sei ein Millionengeschäft, Material für das Training zu schreiben. Während Schmidhuber ChatGPT manchmal nutzt, um Hausaufgaben zu machen – er meint die Aufgaben seiner Studenten – nutzt Andrulis ChatGPT gar nicht. Die Qualität reiche ihm nicht für das, was er sprachlich rüberbringen möchte. Dennoch, da sind sich die beiden und auch Lobo einig: KI leite eine Transformation ein. "Eine industrielle Revolution der Büroarbeit", sagt der Aleph-Alpha-Chef, durch die der ganze "Standard-Mist" wegfalle – und die wir angesichts des Fachkräftemangels auch bräuchten.

(emw)