Analyse zum Apple Event: OLED-Lichtblick in europäischer Kraftwerkskulisse​

Nach langer Pause gab Apple ein Hardware-Bekenntnis zum iPad ab, findet Malte Kirchner. Doch einige wichtige Fragen werden wohl erst im Juni beantwortet.​

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Apples Marketing-Chef Greg Joz Joswiak vor der Keynote-Präsentation in London

Apples Marketing-Chef Greg "Joz" Joswiak war zum iPad-Event in London angereist.

(Bild: mki / heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wer in der imposanten Battersea Power Station in London Analogien zum iPad-Event sucht, wird rasch fündig. Apple hatte für diesen Dienstag Journalisten aus der ganzen Welt dorthin eingeladen, um dort die Neuankündigungen des Events am Dienstag mitzuverfolgen und die Geräte anschließend gleich auszuprobieren. Auch heise online war mit dabei. Das frühere Kraftwerk beherbergt neben Wohnungen und Geschäften auch Apples Europazentrale.

Eine Analyse von Malte Kirchner

Malte Kirchner ist seit 2022 Redakteur bei heise online. Neben der Technik selbst beschäftigt ihn die Frage, wie diese die Gesellschaft verändert. Sein besonderes Augenmerk gilt Neuigkeiten aus dem Hause Apple. Daneben befasst er sich mit Entwicklung und Podcasten.

Ein Powerhouse, dem neues Leben eingehaucht wird? Diese Hoffnung hegten nach eineinhalb Jahren ohne neue iPad-Ankündigung auch viele Freunde des Apple-Tablets. Wie so oft war die zwei Wochen vorher angekündigte Veranstaltung am Tag ihres Stattfindens überladen mit Hoffnungen und Erwartungen. Aber am Ende lässt sich feststellen: Apple gab ein deutliches Hardware-Bekenntnis zum iPad ab.

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Und zumindest eine kühne Prognose sollte sich bewahrheiten: Mit dem M4 gibt es nach etwas mehr als einem halben Jahr schon einen Nachfolger des M3, der Ende Oktober für den Mac vorgestellt wurde. Aber ist es wirklich ein Nachfolger? Oder zählt Apple künftig auch bei gerätegattungsspezifischen Anpassungen seines Apple Silicons die Prozessor-Nummern hoch? Das war eine der Fragen, die Beobachter im altehrwürdigen Londoner Kraftwerk bewegte. Apple selbst ließ durchblicken, dass der M4 schlichtweg nötig sei, um das neue OLED-Display im iPad Pro zu betreiben. Man darf gespannt sein, ob und wie er auch beim Mac anzutreffen sein wird und ob es nicht Verwirrung stiftet, dass der M3 durch den M4 jetzt zumindest oberflächlich nicht mehr wie der neueste Chip wirkt.

Das OLED-Display beeindruckte beim anschließenden Hands-on – kraftvoll und vor allem bei den Schwarztönen brillant präsentierte es sich den Medienvertretern. Am Nachbartisch, beim neuen iPad Air, konnte der Vergleich zu den bisherigen Displays gezogen werden. Besonders positiv sticht dabei die Variante mit Nanotexturglas hervor, die allerdings (natürlich gegen Aufpreis) nur in den teuersten 1- und 2-Terabyte-Konfigurationen erhältlich ist. Es ist gegenüber jetzigen iPad-Pro-Modellen ein wirklich sichtbarer Unterschied.

Ein weiterer Punkt, den Apple bei der Renovierung seines Tablet-Flaggschiffs, dem iPad Pro, auf den ersten Blick erfolgreich aufgegriffen hat, sind die Themen höhere Energieeffizienz und geringere Dicke. Wie gut sich die Akkulaufzeit schlägt, werden die ersten Tests zeigen müssen. Ein spürbarer Unterschied ist jedoch jetzt schon die das schmale Gehäuse. Hier könnte sich das iPad Pro künftig wieder stärker von den Macs abheben, deren Verschlankung beim MacBook Air zuletzt dazu führte, dass ein iPad in Sachen Kompaktheit im Vergleich keinen wirklichen Vorteil mehr zu bringen schien. Auch das neue Magic Keyboard erscheint aufgrund seiner Beschaffenheit geeignet, Mac-Nutzern auf dem iPad künftig eine gleichwertige Alternative bieten zu können.

Der neue Apple Pencil, der jetzt den Namenszusatz Pro trägt, ist dank Squeeze-Steuerung, Gyroskop und haptischem Feedback ein deutlich fortgeschritteneres Instrument zum Zeichnen, Malen und Aufschreiben. Ob es genügt, den Stylus jenseits der Zielgruppen, die ihn heute schon verehren, beliebter zu machen, hängt jedoch auch vom Softwareangebot ab – und hier sind nicht nur App-Entwickler gefordert, sondern möglicherweise auch Apple selbst.

Als Umsatzbringer könnte sich das neue größere iPad Air mit 13-Zoll-Display erweisen. Es ermöglicht Käufern einen günstigeren Zugang zur größten Version – bislang mussten sie ein iPad Pro kaufen, auch wenn sie weitere Vorzüge des Pro gar nicht unbedingt benötigten. Das könnte nach dem Abflauen der Corona-Sonderkonjunktur, die sich seit dem Jahr 2020 in den Zahlen bemerkbar machte, bei den iPad-Verkäufen dafür sorgen, dass diese wieder ansteigen.

Die aktuell drängendsten Fragen, die im Vorfeld über das iPad im Netz diskutiert wurden, betreffen interessanterweise aber gar nicht die Hardware, sondern die Software – die neue Hardware schafft allerdings idealerweise den Rahmen für die Software der kommenden Jahre.

Eine dieser Fragen betrifft das Hypethema generative KI. Künstliche Intelligenz sparte Apple zwar mit Blick auf die verbesserte Neural Engine im M4 nicht aus, aber konkrete Antworten, wie die Apple-Betriebssysteme KI künftig integrieren, blieb Apple weiterhin schuldig. Es fühlte sich bewusst weggelassen an. Große Sprachmodelle, generative Bilder und Videos? Fehlanzeige. Einblicke, ob der Oberbegriff "Pro" künftig auch stärker im iPad-Betriebssystem Niederschlag findet, gab es ebenfalls nicht. Und nebenbei sei angemerkt: Auch die Apple Vision Pro blieb eine Randnotiz. Nicht wenige witterten angesichts des starken europäischen Schwerpunkts und vieler Mediengäste aus Asien einen Start in mehreren Weltregionen außerhalb der USA. Doch es passierte nichts, Apple-CEO Cook erwähnte nur Industrieanwendungen, die alle sehr "exciting" seien.

Immerhin: Erste Antworten auf die Fragen zu den neuen Betriebssystemen und der Implementierung generativer KI wird es sehr wahrscheinlich schon in Kürze geben – auf Apples Weltentwicklerkonferenz WWDC, die Anfang Juni am Stammsitz in Kalifornien stattfindet. Den hübschen Europa-Sitz Apples konnten iPad-Freunde trotz des OLED-Lichtblicks folglich nicht vollends zufrieden verlassen. Erst der Software-Juni wird zeigen, wie genau das Kraftwerk künftig auf Hochtouren laufen wird.

(mki)